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Danke, Erling!

Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft.

Psalm 62,2



Nachruf auf Erling Refsholt von Therese Zimkowsky


*23.09.1924 † 11.03.2022 Trauerfeier am 22.03.2022


Erling Refsholt ist mit 97 Jahren friedlich und nach einem langen, erfüllten Leben verstorben. Wir sind dankbar, diesen großartigen Menschen und Pfadfinder aus Larvik/Norwegen so lange als Freund und Unterstützer an unserer Seite gehabt zu haben. Seine unerschöpflichen Ideen und Fähigkeiten, sein Humor und sein Frohsinn, nicht zuletzt seine Bereitschaft zur Unterstützung haben unsere Sommerlager und Winterfreizeiten bereichert oder gar erst möglich gemacht.


Es ist schwer, sein Wirken für den VCP Bezirk Paul Schneider zu beschreiben. Bei unserer ersten Begegnung 1972 hatte er – unter dem Eindruck des Weltrieges – noch große Distanz zu Deutschen im Allgemeinen, hat aber auf die Anfrage vom VW-Importeur nach einem Lagerplatz mit dem Angebot der familieneigenen Insel Skogholmen im Viksfjord unser erstes Sommerlager in Norwegen ermöglicht. Er wollte der jüngeren Generation eine Chance einräumen.


Daraus entstand eine tiefe Freundschaft, in deren Verlauf Erling so einige Impulse an uns gab. Und er war stolz darauf, dass wir diese annahmen und weiterentwickelten in der Zeit, in der in Norwegen die Pfadfinder*innenarbeit an Bedeutung verlor und auch der 1. Larvik Tropp nur noch aus der Ørner-Ekorn-Terner-Patrulje (Adler-Eichhörnchen-Seeschwalben-Gruppe) bestand. Mit diesen Gruppen aus mental beeinträchtigten Mädchen und Jungen kamen wir früh in Kontakt und bauten auch in Wolfsburg in Zusammenarbeit mit der Heilpädagogischen Bildungsstätte (heute Peter-Pan-Schule in Alt-Wolfsburg) Gruppen mit mental beeinträchtigten Kindern auf. Heute zeugt noch die Erwachsenengruppe Mixed People von dieser besonderen Arbeit. Bereits 1980 gestalteten wir einen Bildungsurlaub für Wolfsburger*innen, die sich für die Behindertenarbeit interessierten. Wir wohnten in den Pfadfinderhütten auf der Insel Ono. Erling und seine Frau Ellen bereiteten mit uns diesen Bildungsurlaub vor, in dem wir die vorbildliche norwegische Förderung und entsprechende Einrichtungen kennenlernten. Unsere spezielle Zusammenarbeit haben wir im Mai 1988 beim Jugendempfang unter dem Motto „Jugend überwindet Grenzen“ gemeinsam vorgestellt. Der Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker hat jährlich zu einem Motto-Jugendempfang in die Villa Hammerschmidt nach Bonn eingeladen. Die Begegnung mit dem Bundespräsidenten war für uns ein großartiges Erlebnis.


Erling und Ellen Refsholt haben sich stark engagiert als Hüttenverantwortliche und für Einrichtungen, die für beeinträchtigte Menschen besonders in der Freizeit nutzbar waren. Wir lernten durch sie Bonnagolt kennen. Das ist eine Hütte am Farris, die von Familien mit behinderten Kindern gemietet werden kann. Vom Lions Club aus der Umgebung ist direkt am Skagerrak Gurvika finanziert worden und wird bis heute von ihnen verwaltet. Das ist eine Anlage mit vielen Hütten, einem Schwimmbad und einer Rampe ins Meer für Rollstuhlfahrer*innen. All diese Stätten haben wir kennengelernt und durften sie teils auch nutzen. Auf Bonnagolt haben Maßnahmen von uns stattgefunden. Gurvika haben wir mit erwachsenen Behinderten ebenfalls nutzen können. Ellen war Hüttenchefin von Lauvresetra, eine weitere Stätte einer typisch norwegischen Freizeitgestaltung.


Gemeinsame Sommerlager mit behinderten Pfadfinderinnen und Pfadfindern, stets besucht von Ørner und Terner, gehörten lange Jahre zu unserem Standard. Ein Video der norwegischen Initiative „Dissimillis“ übergab uns Erling mit den Worten: „Ich denke, ihr könnt etwas damit anfangen.“ – Nun, die Gruppe Mixed People entstand und hatte ihren ersten großen Auftritt im World Scout Jamboree 1995 in Holland.


Seit 1978 haben wir neben den Sommerlagern auch Winterfreizeiten über die Jahreswechsel auf der Hütte Presteseter in der Skrim durchgeführt. Deshalb lernten wir die norwegische Weihnachtszeit kennen. Anders als bei uns treffen sich Gruppen, Vereine und Firmen zwischen Weihnachten und dem 6. Januar und feiern fröhlich. So waren wir jedes Jahr beim speziellen „Julenissenfest“ der Pfadfinder*innen zugegen und tanzten gemeinsam um den Weihnachtsbaum, hatten viel Spaß mit Spielen und mit leckerem Rømmegrøt und Pølser.


Wer kennt sie nicht, die vielen Schnitzarbeiten in unserer Bezirkszentrale. Sie sind alle von Erling geschaffen. Erling hat uns für jede Maßnahme eigene Erinnerungsstücke überreicht. Das älteste ist ein bemaltes Lederstück für das erste Sommerlager 1972. Später begann er zu schnitzen und Generationen von Gruppenleitungen hatten in ihrem Grundkurs einen Tag mit Erling und durften sich selbst an Schnitzkünsten ausprobieren. Wir haben viele Erinnerungen an unseren Wänden und haben große wunderschöne Holzschalen von Erling. Als Lokführer eines Güterzuges hielt Erling für besondere Fundstücke manchmal auch seinen Zug an, stieg aus und holte entlang der Gleise die Dinge, die er brauchte – neben den Holzstücken auch Vogelflügel für seinen Orientierungslauf mit Ørner und Terner. Messer, Beil und Säge hatte er immer dabei.


Erling und sein Freund Thorleif Pettersen († 25.03.2014) haben im Herbst 1989 die Treppen im älteren Gebäudeteil auf dem Jugendzeltplatz Almke gefertigt, besonders die Treppe im Blickfang des Rundlings zeugt von der großen Holzkunst der beiden Norweger. Erling hat auch das Eingangstor und die Hinweisschilder geschnitzt. Deshalb war es auch besonders schön, dass Ørner und Terner 2006 eine Fahrt nach Almke unternahmen. Dort haben wir mit der Dissimilis-Methode gemeinsam musiziert und Erling konnte seine Werke in Almke sehen. Es war eine wunderschöne Maßnahme in Wolfsburg, die es selten gab und deshalb so wertvoll für uns war, weil wir ein klein wenig zurückgeben konnten.


Wer Erling kannte, wird sich an sein Lachen immer erinnern. Er hat einfach mit seiner guten Laune alle mitgerissen und er war der geborene Pfadfinderleiter. Er war bekannt für seine Reden, für seine geschnitzten Geschenke, für die Gastfreundschaft. Wir waren immer willkommen im Haus von Erling und Ellen in Larvik, für einige von uns war es wie ein nach Hause kommen und für viele begann oder endete eine Maßnahme am großen Esstisch der Refsholts.


Ellen und Erling liebten es, ihr Frühstück am Sonntag im Bøkeskogen einzunehmen, dem Buchenwald in Larvik. Wir haben sie oft begleitet und 2014 kam auch die Nachhut zum Frühstück. Erling und Ellen hat das sehr gefallen. Ihren 80. und 90. Geburtstag feierten wir im September 2014 in Larvik. Bei dieser Gelegenheit luden wir Ellen, Erling und Line nach Wolfsburg ein. Im Oktober kamen sie tatsächlich und wir hatten wunderschöne Tage mit einer tollen Feier, die die Pfadfinder*innen in unserer Bezirkszentrale engagiert für sie ausrichteten. Im November 2014 verstarb Ellen vollkommen unerwartet. Wie schön, dass wir in diesem Jahr noch so viel persönliche Erlebnisse mit ihnen als Familie teilen konnten.


Erling verließ sein Haus im Juli 2016 und bezog eine kleine Wohnung im Heim, wir halfen beim Umzug. Von dort ging er täglich seine Runden im Bøkeskogen. Er liebte es aber auch, mit uns größere Touren zu unternehmen und überraschte uns immer wieder mit neuen Orten, zu denen er noch ziemlich behände mit uns ging. Und dabei dachten wir, wir kennen die Gegend und sind jünger…


Von Ørner und Terner leben nur noch zwei Mitglieder: seine Tochter Line und Lars Arild. Seine monatlichen Gruppenstunden schrumpften nun noch weiter zusammen, aber bis zum Schluss hat Erling jährlich eine Fahrt nach Nevlunghavn organisiert. Dort lebt Jan Frederik, ein Pfadfinder aus dem alten 1. Larvik Tropp, der viele Jahre der Leuchtturmwärter von Svenner war, in Nevlunghavn ein wunderschönes altes Haus hat und dort seit jeher einmal im Jahr „seinen“ Trupp zum Krabbenessen empfing.


An Erlings 97. Geburtstag im September 2021 waren Hiltraut Poppek und ich in Larvik. Wir sind glücklich darüber. Line und Lars Arild waren da, wir waren alle festlich gekleidet. Erling trug sein Pfadfinderhemd. Und wir hörten zum letzten Mal eine Rede von ihm.


Erling, wir haben dir so unendlich viel zu verdanken. Du bist unausweichlich mit unserem Lagerplatz verbunden. Die Art des Toilettenaufbaus hast du für uns erdacht und auch die Entstehung der Materialhütte war deine Idee nach langen Überlegungen über unseren jährlichen Materialtransport. Sie konnte trotz Hüttenbauverbots dort stehen, weil du die Regelungen genau kanntest: die Hütte hat keine Fenster... Unsere Erinnerungen an dich sind mit Bauten, Plätzen, Geschenken verbunden und sie reichen für lange und abwechslungsreiche Erzählungen. Wir werden sie noch lange erzählen. Getreu dem Leitsatz von Baden-Powell „Verlasst die Welt ein bisschen besser, als ihr sie vorgefunden habt!“ können wir versichern: Erling, das hast du! Und du warst immer Pfadfinder!


Jetzt bleibt uns nur der Wunsch: Ruhe in Frieden, lieber Erling … Hvil i fred og takk for alt!



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